Leben auf engstem Raum
Die Wunschtraum-Behausung des modernen Stadtmenschen ist geprägt von den schönen Loftwohnungen amerikanischer Film- und Serienproduktionen. In der Realität sieht es oft anders aus. Statt weitläufiger Räume finden sich oftmals kleine, von Dachschrägen oder eingezogenen Wänden beschnittene Zimmer, die entweder schlecht isoliert oder durch bautechnische Auflagen verkompliziert sind.
Die Herausforderung moderner Architektur liegt immer häufiger darin, den gegebenen Platz optimal zu nutzen, ohne dass die Räumlichkeiten vollgestellt wirken. Eine Inspirationsquelle könnte dabei die Tiny House Bewegung sein.
Tiny House, aber alles dabei
Ursprünglich stammt das Movement aus Amerika, auch wenn man nur schwer ein Datum auf die Erfindung des Konzeptes – auf kleinstem Raum das Wesentlichste versammeln – kleben kann. Was zu Beginn eine Community aus begeisterten Pionieren war, ist mittlerweile ein Business mit verschiedenen Mitverdienern geworden.
Wer sich umschaut wird schnell fündig: Anbieter von bereits fertigen Häusern, Schreiner und Architekten, die die den Traum vom kleinen Haus wahr machen und Influencer die auf ihren Kanälen von den Errungenschaften sprechen, die der Minimalismus bei ihnen zu Tage gefördert hat.
Auch wenn in Deutschland tiny houses häufig auf Anhänger – also mobil – gebaut sind, sind es keine Wohnwagen. Die Häuser sind nicht gebaut, um damit ständig unterwegs zu sein, sie spiegeln jedoch den Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit ihrer Besitzer wider.
Minimalismus allein scheint als Thema so groß und wichtig, dass man meinen kann, es sei etwas Neues. Dabei schieb Sarah Susanka bereits 1998 in ihrem Buch „The Not So Big House“ von ihren 15 Jahren Arbeitserfahrung, die sie zu einem Konzept geführt haben, in dem die Qualität eines Wohnraumes über seiner Quantität lag. Die Beobachtung der Autorin, selbst Architektin, war, dass dieser „always bigger“-Trend, den Bewohnern nicht das gab, was sie brauchten und ihre Häuser schon gar nicht ihr wirkliches Leben widerspiegelten.
Das Haus, das man auf den ersten Seiten des Buches sieht, dürfte immer noch größer sein als die handelsüblichen Innenstadt-Wohnungen, dennoch sind einige Weisheiten des Bucher auch heute noch aktuell: „A house ist more than square footage and the number of beds and baths.“
Auch hierzulande geht es den Anhängern der Tiny House Bewegung, laut der Webseite tiny-houses.de, „um die Reduzierung auf das Wesentliche zugunsten finanzieller Freiheit und persönlicher Unabhängigkeit sowie um einen Beitrag zu Ökologie und Nachhaltigkeit.“
Minimales Maximum
Wer sein ganzes Leben auf 29, 16 oder sogar nur 9 Quadratmeter bekommen möchte, muss zwangsläufig Abstriche machen oder kreativ werden. Ausklappbare Tische und Sitzgelegenheiten, eingezogene zweite Ebenen, um einen Schlaf- oder Arbeitsplatz knapp unter der Decke zu bekommen. Der Instagram Account von tinyhousemovement zeigt verschiedenste Innenräume von kleinen – hauptsächlich amerikanischen – Häusern.
Das Ausnutzen hoher Decken, mit möglichst wenig Wänden arbeiten, große Fenster installieren, damit mehr Weite entsteht, die Reduzierung auf die wirklich nötigen Dinge und immer wieder auf Maß angefertigte Möbel – oftmals von den Bewohnern, die ihre Häuser oft selbst gebaut haben. Das scheinen die Tricks zu sein, mit denen die meisten Tiny House Bewohner arbeiten.
Dass es funktionieren kann, zeigt auch die Familie Mayes, die mit zwei Erwachsenen und vier Kindern in einem umgebauten Bus lebt – auf rund 23 m2.
Auf ihrer Instagram Seite zelebrieren sie ihren Lebensweg mit professionellen Fotos und berichten amerikanisch-begeistert von ihren Erfahrungen. Geben aber, neben den vielen Bildern einer glücklichen Familie, auch immer wieder Einblicke in die Innenräume.
Auf ihrem Blog finden sich in kurzen Beiträgen mehr Informationen über das Für-und-Wider ihrer „tiny kitchen“ oder warum das Badezimmer der schwierigste Raum der Wohnung ist.
Ein Umzug in die kleine Welt
Tiny Houses mögen in den meisten Fällen Ausnahmen von sehr begeisterten Individuen sein. Das gesamte Leben auf wenige Gegenstände zu schrumpfen und das ganze Jahr über in einer Art Wohnwagen zu leben, will und kann nicht jeder Mensch. Dennoch lässt sich die Art, wie Tiny Houser denken und Räume und Besitz verstehen, sicherlich auch im Alltag anwenden, wenn es darum geht, kleine Räume zu nutzen und aus gewohnten Denkstrukturen auszubrechen.